2017-07-29
ავტორი : Giorgi Astamadze
Die Kressensteins und der Kaukasus

Die Kreß von Kressenstein sind eine der ältesten Patrizierfamilien von Bayern, genauer gesagt von Franken. Zu Einfluss und Ruf kamen die Kressen im Mittelalter durch den Militärdienst. Heute wird ihr Familienarchiv im Germanischen Nationalmuseum der Stadt Nürnberg aufbewahrt und umfasst eine große Zahl von Materialien seit dem Jahr 1403 – insgesamt 93 000 Meter.

Bei der Archivarbeit gilt das Interesse der georgischen Historiker natürlich dem Archiv des im Kaukasus dienenden Generals der Artillerie Friedrich Siegmund Georg Freiherr Kreß von Kressenstein. 20 Jahre nach seinem Tod, im Jahre 1966, hat die Familie das Archiv von Kraftshof dem Germanischen Nationalmuseum in Nürnberg übergeben.


Die Kressen teilen sich in mehreren Zweigen auf. Friedrich Kreß von Kressenstein gehört zur Hauptlinie, der von Kraftshof. Der Name entspringt dem Sommerhaus von Kreß Kraftshof. Der General Kreß von Kressenstein hat interessantes Archivmaterial hinterlassen. Georgische Leser kennen seine Memoiren von 1943 über die Zeit seines Aufenthalts im Kaukasus, welche in Georgien als Buch erschienen sind. Im Politischen Archiv des Auswärtigen Amts wird ein interessanter Eintrag aufbewahrt, den der General Kreß 1919 gleich nach seiner Rückkehr in Deutschland geschrieben hatte und der interessante Auskunft über die Lage im Kaukasus beinhaltet. Den deutschen Originaltext dieses weniger bekannten Materials hat Lascha Bakradze in Georgien veröffentlicht. Das Archivmaterial aus Nürnberg war bis jetzt weitgehend unbekannt. Kreß von Kressenstein führte Notizen im 1. Weltkrieg. Insgesamt findet man im Archiv 10 solche Hefte, welche ihr Ende im Oktober 1916 haben. Dementsprechend sind die Beschreibungen der Ereignisse von 1918 nicht dabei. Möglicherweise sind die Folgeeinträge verloren gegangen, wie auch das erste Notizbuch ; das Archiv beginnt mit dem zweiten Heft. Es muss auch erwähnt werden, dass im Jahre 1944, während des 2. Weltkriegs, das Gut von Kress von Kressenstein in Kraftshof durch einen Bombenanschlag zerstört wurde. Im selben Jahr wurde die Wohnung von Friedrich Kreß von Kressenstein in München auch vernichtet. Das alles wäre selbstverständlich ohne den Verlust nicht gegangen. Der Rest der Tagebücher sind in handschriftlicher Form erhalten, was ihre Entzifferung schwermacht.


Neben den Tagebüchern hat uns Kreß von Kressenstein drei Volumen seines autobiographischen Werks hinterlassen. Die Erzählung beginnt mit seiner frühen Kindheit und endet mit den Worten des Pfarrers an seinem Sterbebett, die eventuell von seinen Familienmitgliedern nach seinem Tod eingefügt worden sind.

Im zweiten Band dieser 3-bändigen Schriftensammlung findet man die komplette Fassung der von Kreß geschriebenen kaukasischen Erinnerungen aus dem Jahr 1943. Im dritten Band ist ein für die Georgier besonders interessanter Abschnitt dabei, in dem Kreß über seine Reise in die USA erzählt. Auf Einladung von seinem Verwandten und gleichnamigen Klod Washington Kreß, reiste Friedrich Kressenstein im Dezember 1934 in die Vereinigte Staaten und verbrachte die meiste Zeit in New-York. Dort traf er seine alte Bekannte aus Tifliser Zeit: Nina Tumanowa, die als Französischlehrerin an einer Universität tätig war, den Fürsten Eristawi, der sich von seiner hübschen amerikanischen Ehefrau geschieden hatte und im Weinbaubereich arbeitete und den Fürsten Giorgi Machabeli, der – nach Aussage von Kreß – durch seine mit fürstlicher Krone geschmückten Parfümflaschen berühmt wurde und unter den snobistischen Amerikanern viel Geld verdiente. Seine schöne Ehefrau Maria Carmen (so erinnert sich Kreß an Norina Gilli mit ihrem veränderten Künstlernamen), die zur Anhängerin eines religiösen Meisters (gemeint ist der Mystiker Meher Baba) geworden war. Diese Auskunft ist auch insofern interessant, als Giorgi Machebeli in drei Monaten nach dieser Begegnung, im März 1935 verstarb. Hier taucht er in den Archivmaterialien zuletzt auf.


Im Archiv wurde ein kleines rotes Notizbuch gefunden – der mit dem Bleistift geschriebene Lebenslauf von Kreß. Dort liest man auf einer Seite über die Expedition im Kaukasus im Jahr 1918. Das Tagebuch ist zwar mit schneller Handschrift geschrieben, kann aber trotzdem entziffert werden. Hier sei erwähnt, dass Kreß selbst auch in einem Tagebuch eines georgischen Politikers auftaucht. Data Watschnadse schreibt, dass er am 19. Januar 1948 bei der Beerdigung des Generals in München dabei war. Watschnadse und Kreß waren alte Bekannte. 1918 war Watschnadse offizieller Vertreter der georgischen Regierung bei der Deutschen Kaukasusexpedition.

Das Gut der Familie Kressenstein war auch sehr interessant für mich. Als ich die Gelegenheit bekam, habe ich es besichtigt. Zuerst fuhr ich zum Neunhof, der sich im guten Zustand befindet. Er wird als Ausstellungsraum des Nationalmuseums genutzt und momentan restauriert. Von dort aus ging ich zu Fuß zur Haltestelle „Am Kressenstein“, wo die Ruinen des Kraftshofhauses von Kreß liegen und seit der Bombardierung nur dessen Reste erhalten geblieben sind.


100 Meter vom Hausbefindet sich die Rühestätte der Familie Kress und die gut erhaltene St. Georgskirche mit ihrem Hof. In diesem Hof, unter dem Beton, liegt, unter den vielen Vertretern der Familie Kreß, auch das Grab von Friedrich Kreß von Kressenstein. Die Familienangehörigen gelangen über eine kleine Leiter zum Grab. Das Grab ist geschlossen, funktioniert jedoch weiterhin. Unweit von Kraftshof entfernt, befindet sich in Irrhain seit 1644 ununterbrochen ein Pegnesischer Blumenorden, dessen Mitglied der General Kreß seit 1937 war.


Bei der Arbeit im Archiv bin ich auf ein mir bisher unbekanntes Bild gestoßen. Seinem Aussehen zufolge, der Handschrift und dem Orden der georgischen Legion am Körper muss es Friedrich Kreß von Kressenstein gehören. Aber auf der hinteren Seite finden wir eine Aufschrift, deren Titulatur nicht der des im Kaukasus dienenden und uns bekannten Generals entspricht. Demzufolge war es notwendig, den Stammbaum der Familie Kressenstein zu überprüfen. Unsere Zweifel haben sich bestätigt: Die auf dem Foto abgebildete Person ist mit seinem Vor- und Nachnamen, dem Diensteinsatz und der Militärlaufbahn dem für Georgier wohl bekannten General Friedrich Siegmund Georg Freiherr Kreß von Kressenstein (1870-1948) tatsächlich ähnlich, jedoch handelt es sich um seinen Verwandten, der zu einem anderen Familienzweig von Kreß gehört und Friedrich Karl Konstantin Freiherr Kreß von Kressenstein (1866-1958) heißt. Dass das Bild im Archiv der Familie Kressenstein aufbewahrt wird, deutet auf ihre verwandtschaftlichen Beziehungen hin.


Das Bild ist für uns insofern interessant, als dass der zweite Friedrich Kressenstein, wie sein Verwandter auch, 1918 zur deutschen Kaukasusexpedition gehörte und in Georgien von Mai bis August lebte. Seine Militärkarriere begann in Bayern. Im 1. Weltkrieg kämpfte er an der Westfront in Finnland und wurde später nach Warschau versetzt; 1916-1917 diente er zuerst in der deutschen Vertretung in Konstantinopel, später nahm man ihn im türkischen Militärdienst als Major auf und vertraute ihm die Leitung der Transportabteilung des türkischen Generalstabs an.

Im Mai 1918 sandte ihn der General von Seeckt in den Kaukasus als Sachbearbeiter der wirtschaftlichen Angelegenheiten und Aufseher des Transports. Danach waren vier Monate lang in der deutschen Mission des Kaukasus zwei Friedrich Kreß von Kressenstein tätig. Ende August wurde der jüngere Kressenstein wieder in die Türkei zurückberufen und dort zum Stabschef des türkischen Generalquartiermeisters ernannt. Diesen Dienst führte er bis zum Kriegsende aus.

Der Anfang der beruflichen Laufbahn im Wehrdienst von General-Major Friedrich Siegmund Georg Kreß von Kressenstein ist mit Bayern verbunden. Vor dem 1. Weltkrieg war er in der bayerischen Armee in verschiedenen Ämtern tätig. Im Januar 1914 wechselte er, ähnlich wie viele seiner Kollegen, zur Militärführung in der Türkei. Nachdem sich die Osmanen dem Krieg anschlossen, beteiligte sich Kreß in zwei großen Expeditionen Richtung Suezkanal. In der ersten Expedition im Jahre 1915 leitete er unter der Führung von Djemal Pascha die 8. türkische Armee und machte sich einen Ruf als erfolgreicher Kommandant; in der zweiten Suez-Expedition 1916 leitete er die türkische Armee selbst und behielt den Widerstand gegen die stärkeren Briten. Die Ereignisse dieser Periode sind in seinem Buch „Mit den Türken zum Suezkanal“ beschrieben.


1917 leitete Kreß drei Verteidigungskriege der Türken gegen die Engländer in Gaza und wurde Anfang 1918 bei der Westfront zuerst als Führer der 6. Armee, später im Generalstab Deutschlands als der Vertreter Bayerns versetzt. Im Mai 1918, als die Idee der Sendung des deutschen Heeres in den Kaukasus reifte, wurde Friedrich Kreß von Kressenstein als Leiter der Armee-Expedition eingesetzt. Die Expedition kam am 23. Juni in Poti an, von wo aus sie nach Tiflis weiterzog und dort mit dem Einsatz begann. Nach der Kriegsniederlage blieb Friedrich Kreß von Kressenstein eine Zeit lang in Georgien und musste später das Land verlassen, als ihn die Engländer dazu aufgefordert hatten. Am 2. Februar 1919 hat er seinen letzten Zufluchtsort in Georgien - Kutaisi - mit seiner kleinen Umgebung und am 3. Februar das von Georgien kontrollierte Territorium verlassen. Einige Tage verbrachte er in Batumi unter der Aufsicht von britischen Söldnern, um am 8. Februar mit dem Schiff abzufahren. Am 19. Februar wurde Friedrich Kreß von Kressenstein auf der Prinkipos-Insel in den Hausarrest genommen und blieb dort bis Anfang Juni. Am 10. Juni fuhr er zusammen mit ein paar Personen, die von der deutschen Expedition im Kaukasus zurückgeblieben waren, auf dem Gülcemal-Schiff in die Heimat zurück und erreichte Bremerhaven am 27. Juni. Anfang Juli kam er in seiner Heimat Bayern an.


Die Beziehungen von Kressensteins mit dem Kaukasus beschränken sich jedoch nicht auf zwei Friedrich. Der uns bekannte jüngere Friedrich Karl Konstantin Kreß von Kressenstein hatte einen Sohn Jobst Christoph Friedrich Karl Oskar Kreß von Kressenstein (1921-1943), der 1939 unter den Junioren deutscher Weltmeister im Schwimmen wurde. Gleich nach dem Beginn des 2. Weltkriegs meldete er sich im Infanterie-Regiment Nr. 136 in Innsbruck an. Er kämpfte in Kirkenes im Norden Norwegens und in Finnland. Als Fenrich erhielt er das Eiserne Kreuz für besonderen Mut und im Februar 1942 den Dienstgrad des Leutnants. Danach nahm er am speziellen Training für Bergbataillons am Lutensee im Mittenwald in den bayrischen Alpen teil und wurde in die kaukasische Mission gesandt. In kompromisslosen Kämpfen im Tergi-Bezirk wurde Jobst Christoph Kreß von Kressenstei schwer verwundet und nach Stalino (so hieß Donetsk in den Jahren 1924-1961) ins Kriegshospital gebracht. Die Verhandlung verlief ohne Erfolg und er ist am 30. Januar 1943 im Hospital gestorben. Er ist auf dem deutschen Friedhof von Stalino begraben.



Im 2. Weltkieg hatte ein weiterer Kreß mit dem Kaukasus zu tun. Dieser stammte aus Franken und war mit dem oben genannten nicht verwandt. Der General-Leutnant Hermann Kreß – so hieß er – kann auf dem Kraftshof-Stammbaum der Familie Kressenstein nicht gefunden werden. Hermann Kreß war vom Oktober 1942 bis August 1943 Chef der 4. Bergdivision namens Enzian. Das ist die Division, die zusammen mit der 1. Bergdivision am 21. August 1942 auf dem Elbrus, dem höchsten Berg des Kaukasus, die Flagge des Dritten Reichs errichtete. Am 11. August 1943 kam der General-Leutnant Hermann Kreß, durch den Schuss eines sowjetischen Scharfschützen beim Rückzug der Deutschen bei der Stadt Novorossiysk, ums Leben.


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