2023-03-11
ავტორი : Ana Margvelashvili, Irakli Khvadagiani
Georgisch-Deutsches Kulturmosaik

Vorwort zum Buch "Georgisch-Deutsches Kulturmosaik", Herausgegeben im 2022 von Goethe Institut Georgien und SovLab. / Sprache Georgisch.


2017 wurde das 200-jährige Jubiläum georgisch-deutscher Beziehungen begangen, – gezählt ab 1817, der Gründung der ersten deutschen Siedlung in Georgien. Nachwirkung des Jubiläums war das georgisch-deutsche Gedächtnisarchiv, das Zeugnisse dieser 200-jährigen Beziehung online zusammenführen sollte - eine gemeinsame Initiative des Goethe-Instituts Georgien, des Soviet Past Research Laboratory (SovLab), der Deutschen Botschaft Tiflis und des Auswärtigen Amts. Im Laufe der Jahre kam eine reiche Ansammlung von Familienarchiven, Forschungsarbeiten, Blogs, Zeitzeugeninterviews und weiteren historischen Quellen zusammen. Das Internetarchiv ist chronologisch aufgebaut und beginnt mit den kaukasischen Reiseberichten (1870-1827) Johann Anton Güldenstädts, des bekannten russischen Forschers deutscher Abstammung, und setzt sich bis in die spätsowjetische Zeit fort. Das Archiv wird stetig erweitert.




Auf der Website finden sich zudem Informationen zu Deutschen, die durch Georgien reisten. Ihre damaligen Reiseberichte sind heute wichtige Quellen für Landes- und Regionenforschung. Vieles davon ist in Deutschland bereits veröffentlicht worden, einiges wurde ins Georgische übersetzt und kommentiert, einiges wartet noch darauf, entdeckt zu werden und an den Leser zu kommen. Zudem findet sich reichhaltiges Material über die deutschen Siedlungen seit Anfang des 19. Jahrhunderts; über ihre Architektur, ihr gemeinschaftliches und landwirtschaftliches Leben, über die evangelisch-lutherische Kirche und ihre sozialen Einrichtungen. Diese Epoche ist gut erforscht in fach- sowie populärwissenschaftlicher Literatur.

Seit 2017 erschienen noch einige weiteren Werke, die im Zusammenhang mit dem Jubiläumsjahr entstanden sind. Hierbei hervorzuheben sind „Deutsche Architekten in Tbilissi“ von Kunstwissenschaftlerin und Architekturhistorikerin Maia Mania, 2018 herausgegeben durch das Goethe-Institut Georgien; „Deutsche Siedlungen und architektonisches Erbe in Georgien“ von Architektin Nestan Tatarashvili, herausgegeben von der National Agency for Cultural Heritage Preservation of Georgia; Der Band „Unsere deutschen Tanten. Von Auswandererschulen und illegalen Kindergärten in Georgien“, herausgegeben von Nino Lejava mit Unterstützung der Deutschen Botschaft Tiflis, in dem Zeitzeugen und Forscher von den privaten deutschen Kindergärten im sowjetischen Tbilissi Georgisch-Deutsches Kulturmosaik berichten; „Erzählte und unerzählte Geschichten: Deutsche in Georgien“ von Schriftstellerin Tamta Melashvili, das ebenfalls im Rahmen des Jubiläumsprogramms geschrieben wurde und Erinnerungen über in Georgien lebenden Deutschen vereint. Es ist ein bitterer Weckruf an das stetige Verschwinden deutscher Kultur und folgt ihrer Spur anhand mündlicher Überlieferungen. 2018 widmeten die Friedrich-Ebert-Stiftung und die Staatliche Universität Tbilissi dem 100-jährigen Jubiläum Georgiens Erster Republik das Buch – „Georgien – eine sozialdemokratische Bauernrepublik. Eindrücke und Beobachtungen“ von Karl Kautsky, einem der wichtigsten sozialdemokratischen Theoretiker, in drei Sprachen; 2018-2021 wurde das zweisprachige Buch „Grüne Geschichte im georgisch-deutschen Dialog. Ideen und Persönlichkeiten“ von Philosophin Lela Gaphridashvili herausgegeben.

Der vorliegende Band „Georgisch-deutsches Kulturmosaik“ wurde während der Arbeit am Internetarchiv vom Goethe-Institut Georgien und SovLab angestoßen; doch liegt das grundlegende Augenmerk diesmal auf der Epoche der Ersten Republik Georgiens (1918-1921). Abgesehen davon, dass die letzten Jahre nicht wenige beachtenswerte Jubiläen zu verzeichnen hatten (Gründung der ersten Republik, Verabschiedung der Verfassung, Sowjetische Besatzung), ist dieser Zeitabschnitt georgischer jüngster Geschichte – unter anderem bezüglich georgisch-deutscher Beziehungen – noch nicht ausreichend erforscht.

Erst nach dem Ende des 1. Weltkriegs, im Zuge des Zerfalls alter Imperien und der ersten unabhängigen Schritte junger Staaten, nahmen georgisch-deutsche Beziehungen staatliche Züge an. Diese Beziehungen waren von Anfang an verkettet, komplex und teilweise widersprüchlich. Im Zuge der Unabhängigkeitsbestrebungen sprach das Deutsche Reich Georgien Garantien zu. Der Nationalrat Georgiens erklärte das Land zu einer unabhängigen Republik und legte das Fundament für eine der demokratischsten Systeme ihrer Zeit; während ihr Schutzpatron Deutschland als militaristisches Imperium noch im Krieg involviert war und imperialistische Interessen im Kaukasus verfolgte.

Trotz des kalten Kalküls politischer Konventionen tat diese recht intensive Phase den Beziehungen keinen merklichen Abbruch. Sie endete schließlich mit der Kriegsniederlage Deutschlands und einem neugeborenen Georgien ohne starken Verbündeten inmitten einer chaotischen Welt in Kriegsnachwehen.

Gleichzeitig förderten die sozialen und kulturellen Ressourcen, die aus der deutschen Diaspora während des ganzen Jahrhunderts in Georgien entstanden waren, sowie die deutsche Bildung, die georgische politische und gesellschaftliche Eliten genossen, Sympathie deutscher Kultur gegenüber – enge zwischenstaatliche Verbindungen, sodass Deutschland ab 1919 wieder als Verbündeter der jungen Republik auftrat.




Geographisches Zentrum der deutsch-georgischen kulturellen Zusammenarbeit waren die deutsche Kirche in Tbilissi und die in der Nähe befindlichen deutschen Kulturinstitutionen (Kirchstraße 25-27). Im Kirchhof und in unmittelbarer Nachbarschaft befand sich die Kirchenverwaltung, die deutsche Schule, der deutsche Kindergarten, das deutsche Gymnasium, die deutsche Bibliothek, das Schullokal, in dem außer Veranstaltungen noch Treffen verschiedener Gruppen wie zum Beispiel der Vereinigung Deutscher im Südkaukasus (Deutscher Nationalrat) u.a. stattfanden. Dieser Rat fungierte jahrelang als vertretendes Organ der deutschen Einwohner und setzte sich für ihre Rechte sowie kaukasisch-deutsche Beziehungen ein.

Ungeachtet dessen, dass viele am deutschen Staatswesen beteiligte Akteure Georgien Unterstützung aussprachen, zeichneten sich dennoch immer wieder imperialistische Haltung bestimmten Fragen gegenüber ab; Zudem ragte der Wunsch, aktive Außenkulturpolitik mit „sanfter Gewalt“ zu praktizieren und gerade mit kulturellen und wissenschaftlichen Errungenschaften die Position Deutschlands im Kaukasus zu festigen, deutlich hervor. Es war möglicherweise diesen Umständen geschuldet, dass Georgien reizte nicht nur wegen natürlicher Ressourcen und geopolitischer Aspekte, sondern auch deshalb, weil hier eine feste deutsche Gemeinde und Deutschlandfreundlich eingestellte Intellektuelle lebten, was der deutschen kulturpolitischen Strategie zusprach.




Angesichts all dessen lässt sich sagen, dass die georgisch-deutschen Beziehungen 1918-1921 von neuen Perspektiven und Hoffnungen geprägt waren, die der vorliegende Band veranschaulichen will. „Georgisch-Deutsches Kulturmosaik 1918-1921“ behandelt zwei Bereiche – den politischen sowie sozio-kulturellen. Er bewegt sich größtenteils in einem bestimmten zeitlichen Rahmen und orientiert sich an den Realitäten der Ersten Georgischen Republik, doch angesichts der Vielfältigkeit und Fülle kultureller und politischer Kontexte spannt sich das Informationsspektrum vom Ende des 19. Jahrhunderts bis zu den ersten Jahren der sowjetischen Besatzung Georgiens.

Die Autoren des Bands zeigen uns im Einklang ihrer eigenen Forschungsinteressen unterschiedliche Aspekte georgisch-deutscher Beziehungen von 1918- 1921 auf, die in ihrem Zusammenspiel ein harmonisches Ganzes ergeben; indem die Themen ineinander münden, Persönlichkeiten von Aufsatz zu Aufsatz reisen, zu unterschiedlichen Zeiten aufeinandertreffen und die Bilder unserer vielschichtigen, dramatischen und oftmals tragischen jüngsten Vergangenheit zum Leben erwecken.

Die Forschungen zu politischer sowie bildungskultureller und gesellschaftlicher Kooperation stützen sich auf in georgischen und deutschen Archiven verwahrtem Material sowie Periodika und entsprechenden wissenschaftlichen Quellen. Eine der wichtigsten Quellen hierbei war die deutschsprachige Zeitung „Kaukasische Post“, die 1906-1922 in Georgien herausgegeben wurde. Ferner hervorzuheben sind das Archiv des Auswärtigen Amts sowie das deutsche Bundesarchiv, das einzigartiges Material zu unserer jüngsten Geschichte beherbergt.




Unser Dank geht an: das Goethe-Institut Georgien, das Auswärtige Amt und die Deutsche Botschaft Tiflis, die Marion Dönhoff Stiftung, unterschiedliche Archive in Deutschland – vor allem für die digitale Hilfe, die sie geleistet haben, für die vielseitige Unterstützung und den Beitrag zur Entstehung des Georgisch-Deutschen Gedächtnisarchivs, ihrer Entwicklung und zur Forschung, die dem vorliegenden Buch zu Grunde liegt; außerdem – Marika Lapauri-Burk, Levan Kalandarishvili, Assoziation der Deutschen Georgiens „Einung“, Christiane Hummel und die Evangelisch-Lutherische Kirche in Georgien, Ekkehard Maaß, Nestan Tatarashvili, Oliver Reisner und all die Menschen und Organisationen, die die Autoren in jeglicher Weise in Suche und Recherche der Geschichten unterstützt haben.

Wir hoffen, dass die Episoden im Band im Gesamtbild eine interessante Einheit bilden, die aufzeigt, wie die Einstellung Deutschlands Georgien und dem Südkaukasus gegenüber war; Welche Pläne die junge, unabhängige Republik Georgiens hatte; Wie realistisch diese Pläne waren, und wie energisch und enthusiastisch – das Streben danach. Die Besatzung Georgiens durch Sowjetrussland hat, selbstverständlich, alles verändert. Doch das Streben, private sowie staatliche Initiativen, der Kampf – sind geblieben. Diese längst vergessenen und aus dem Gedächtnis verdrängten Geschichten wiederzufinden, erinnerte an das Zusammentragen zerborstener Mosaikstücke, die uns einen neuen Blick auf ein großes Projekt des letzten Jahrhunderts ermöglicht haben – den Versuch des georgischen Staates, der Strömung deutscher Kultur in den westlichen Kulturraum zu folgen.

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