Die erste satirische Zeitschrift zu den Problemen der Muslime im Kaukasus ist 1906 in Tiflis erschienen. Der Autor der Idee und gleichzeitig der Herausgeber war der meskhetische Muslim aus Akhaltsikhe Omar Kipiani, der 1872 im Dorf Atskuri in der Familie eines wohlhabenden Landwirts geboren wurde. Omar begann die Schulausbildung im theologischen Seminar von Gori im Alter von 10 Jahren. Seiner Mutter – einer gläubigen Muslimin - gefiel es nicht, dass ihr Sohn eine christliche Schule besuchte, deswegen wurde Omar nach Istanbul in die Medresse Fatih geschickt. Auch dort blieb Omar skeptisch gegenüber dem Religionsunterricht. Nach zwei Jahren wechselte er zum Seminar namens „Dar Ush Shapak“, studierte Wissenschaften und Fremdsprachen.
In den letzten Jahren seines Studiums nahm er die Arbeit an der Hauptpost von Galata an, wo er Zugang zu den in Europa veröffentlichten Zeitungen und Zeitschriften hatte. Aus ihnen lernte er europäische liberale Ideen kennen, die auf seinen Werdegang einen großen Einfluss ausübten.
Omar Kipiani. Omar Faik Neiman-Zade
Er setzte sich für den Schutz der Rechte der Frauen ein und war der Meinung, dass die Bildung der einzige Weg zum Fortschritt war. Seine Ideen über die Notwendigkeit der Bildung für muslimische Frauen stoßen auf wenig Zustimmung.
1906 beschloss Omar, in Tiflis eine satirisch-humoristische Zeitung in „tatarischer“ Sprache herauszugeben. Er benannte das Magazin nach der bekannten türkischen Volksfigur Mullah-Nasreddin, der arme und respektvolle Menschen unterstützte und bemitleidete.
Omar konnte die Zeitschrift nicht selber registrieren und herausgeben, weil er im Russischen Zarenreich als eine „Problemperson“ galt. So lud er Jalal-Mamad-Kulizade zum Hauptherausgeber und Oskar Schmerling und Josef Rotter als Illustratoren ein. Die letzten beiden haben in die georgische Zeitungsmalerei ihren besonderen Malstil eingeführt.
Schmerling und Rotter hatten an der Kunstakademie München studiert. Ihr Beitrag in der Entwicklung der georgischen Verlagsmalerei ist groß. Außer im „Mullah Nasreddin“ veröffentlichten sie ihre Karikaturen in zahlreichen anderen Zeitungen und Zeitschriften, die in Tiflis erschienen: „Tsnobis Purtseli“, „Matrakhi da Salamuri“, „Matrakhi“ u.a. Oskar Schmerling gehören die Illustrationen der ersten Auflage von Iakob Gogebaschwilis „Mutter Sprache“, Josef Rotter – die von Shahname von Ferdousi und armenischen Märchen. Der besondere Verdienst von Oskar Schmerling besteht in der Gründung der Kunstschule in Tiflis, zu der er Rotter als Lehrer einlud. Diese Schule bildete die Grundlage für die spätere Akademie der Künste.
Menschen warteten auf ihre Karikaturen mit großer Begeisterung.
In „Mullah Nasreddin“ erschienen die Karikaturen und Artikel zu den Problemen des damaligen Kaukasus wie: die Verschlossenheit der Frauen und ihre eingeschränkten Rechten, die Unehrlichkeit der Beamten, der Polizei und der Geistlichen.
Auf den Seiten von „Mullah Nasreddin“ wurden die Feuilletons verschiedener Dichter und Schriftsteller publiziert.
Der deutsche Publizist Arthur Leist, der zur gleichen Zeit in Tiflis arbeitete, war von der künstlerischen Begabung und dem Mut der Autoren von „Mullah Nasreddin“ begeistert, er war ihr größter Anhänger und lobte sie grenzenlos.
Die erste Ausgabe von „Mullah Nasreddin“ sorgte für einen großen Aufruhr.
Niemand rechnete mit solch einem Erfolg. Bald stieg die Zeitungsauflage auf 500. Omar Faik finanzierte die Zeitung selbst, obwohl sie keinen Gewinn einbrachte.
Die Zeitung erschien in den Jahren zwischen 1906-1909 ungehindert.1912 konnte sie wieder erscheinen. Zuletzt erschien sie im Jahr 1917.
Die Mullahs verbaten ihrer Gemeinde das Lesen dieser Zeitung. Aber ihre Popularität wuchs dermaßen, dass die Gesellschaft auf jede neue Ausgabe ungeduldig wartete. Sowohl das Russische Zarenreich als auch die Regierungen Persiens und des Osmanischen Reichs waren gegenüber „Mullah Nasreddin“ feindlich gestimmt, denn die Zeitung veröffentlichte kritisch-satirische Artikel über sie.
„Mullah Nasredin“ kritisiert die Entführung von minderjährigen Mädchen. (1906, Tiflis).
Eine europäische Dame fragt Ali Bey und muslimische Geistliche um Rat; sie will wissen, ob sie den Islam annehmen und einen Muslim heiraten darf ohne später einen Hidschab tragen zu müssen. Ali Bey antwortet, er werde das bei muslimischen Geistlichen klären. Die Geistlichen antworten, es sei möglich. „Mullah Nasreddin“ fügt hinzu, dass es nach der Hochzeit sowieso geschehen wird und weist dabei auf das Bild der Frau mit Hidschab hin. (1910, Tiflis)
„Warten auf die Pilger am Bahnhof von Batumi“. „Die Metzgerei von Batumi“, wo ein Mensch enthäutet wird. (1910, Tiflis).
„Mullah Nasreddin“ kritisiert die Pädophilie in den theologischen Schulen. Der Bildtitel: „Sei nicht schüchtern, mein Kind, komm näher an deinen Meister, er wird dich reinigen“. (1910, Tiflis)
1912 zog der Verlag nach Tabriz um. In den Jahren 1922-1931 wurde die Zeitung in Baku gedruckt.
Der Gründer der Zeitung Omar Kipiani war später unter dem Namen Omar Faik Neiman-Zade tätig. Er führte ein aktives politisches Leben, unterstützte Server Beg Atabag und führte 1918-1920 Aufstände in Samtskhe-Javakhetien auf. 1920 leitete Omar die Republik Kars, die die Muslime des Südlichen Kaukasus vereinigten und deren Teil auch Samtskhe-Javakhetien werden sollte.
Letztendlich wurde Omar Kipiani 1921 nach der Besatzung Georgiens durch das sowjetische Russland zum Mitglied des Revolutionsausschusses (sog. Revkom) in Schulaweri. Nach dem Eintritt der Sowjetmacht behandelte die kommunistische Regierung Omar Kipiani, als einen unermüdlichen Kritiker der imperialen russischen Macht, sehr respektvoll. Man schenkte ihm sogar ein großes Haus mit Garten in Akhaltsikhe. In den letzten Jahren seines Lebens zog er nach Aserbaidschan, wo er aktiv an gesellschaftlichen und politischen Prozessen tätig war, aber 1937-1938 wurde er in den Zeiten des Großen Sowjetischen Terrors verhaftet und erschossen.