Die Evangelisch-Lutherische Kirche in Georgien nennt als ihr Gründungsjahr 1818, in dem von den deutschen Siedlern aus Württemberg in Georgien lutherische Gemeinden gegründet wurden.
Georgien geriet Ende des 18. Jahrhunderts bis Anfang des 19. Jahrhunderts Stück für Stück unter russische Herrschaft und wurde schließlich zum Protektorat des Russischen Reiches. Schon früher gab es Einwanderungen von Deutschen in verschiedene Territorien Russlands, doch die zahlenmäßig bedeutendste Welle löste Zarin Katharina II. mit ihrem berühmten Einwanderungsmanifest von 1763 aus. Zur Konsolidierung der Macht in kaum bewohntem Land und zum wirtschaftlichen Aufschwung für Russland sollten die Gebiete an der Wolga mit Deutschen besiedelt werden. Für die deutschen Auswanderer waren nach Jahren politischer Unruhen, dem Siebenjährigen Krieg und Hungersnöten all die Bestimmungen, mit denen geworben wurde, verlockend. Dazu zählten freie Religionsausübung, Befreiung von Steuern, zinslose Darlehen, Befreiung vom Militärdienst, eigene Gemeinde- und Schulverwaltung und eine Landzuweisung an jede Familie.
Dazu kamen dann zunehmend auch eine kirchliche Unzufriedenheit und nicht zuletzt fromme Hoffnungen, die durch den Pietismus genährt wurden, als Motivation zur Auswanderung ins Spiel. Dies galt insbesondere für Württemberg, wo sich Anfang des 19. Jahrhunderts Gruppen zusammenschlossen, um gezielt in Richtung Osten auszuwandern. Mit diesen Gruppen kam nun erstmals evangelisch-lutherisches Bekenntnis in den Südkaukasus.
Im Jahr 1816 gab es so eine erste kleinere Gruppe um den Weingärtner Georg Friedrich Fuchs aus Schwaikheim in Württemberg, die sich auf den Weg machte. Fuchs war ein theologisch sehr interessierter Laie, der zu Gebetsstunden einlud und schon bald in heftigen Konflikt mit der Amtskirche und dem Staat kam. Eine Auswanderung war da eine gute Möglichkeit, weiteren Repressalien zu entkommen und zugleich in Richtung Kaukasus zu gelangen. Mit ihm zogen ca. 30 bis 40 Familien aus. Im Frühjahr 1817 machte sich eine zweite große Gruppe aus Württemberg ebenfalls auf den Weg. Diese hatte sich seit Längerem schon gesammelt und organisiert. In einem Bericht eines russischen Gesandten ist später von 963 Familien mit 5.508 Personen die Rede. Im Spätherbst 1818, erreichten 400 Familien Tiflis, gezeichnet von Krankheit, Schwäche und mit wenig Hab und Gut.
So kam es zur Gründung und zum Aufbau der schwäbischen Siedlungen im Südkaukasus. Es entstanden Alexanderdorf (heute Stadtteil Didube von Tiflis), Elisabethtal (heute Asureti), Katharinenfeld (heute Bolnisi), Marienfeld (heute Sartitschala), Petersdorf (am Fluss Iori), Neu-Tiflis, Annenfeld (heute Shamkir/Aserbaidschan) und Helenendorf (heute Göygöl/Aserbaidschan). Eine Kontaktaufnahme mit der einheimischen Bevölkerung war damals nicht im Interesse der Neuankömmlinge, und so igelten sie sich in ihren Siedlungen und Sippschaften ein und bauten ihre Kolonien aus. Eine besondere Rolle für das Bekenntnis der Gemeinden spielte für die kommenden Jahre dann Johann Bernhard Saltet. Der – eigentlich nur auf der Durchreise nach Armenien befindliche – Baseler Missionar hinterließ einen so starken Eindruck mit seinen Gottesdiensten und Bibelstunden, dass man ihn nicht weiterziehen ließ und er 1824 als Oberpastor die Gemeinden in Georgien übernahm.
Die Zahl der Kolonisten wuchs schließlich bis zum Ende des 19. Jahrhunderts auf 35.000 bis 40.000 Personen deutscher Abstammung an. Die lutherische Kirche war dabei, ein gemeinschaftsstiftendes Element und eine integrierende Kraft für das soziale und kulturelle Leben der deutschen Kolonisten zu werden. Auch die deutsche Sprache trug dazu bei. Dies führte dazu, dass bis in die jüngsten Jahre „lutherisch“ auch als Synonym für „deutsch“ verstanden worden ist.
Mit der Bildung der Sowjetunion wurde die Lage für die Kirchen im Land zunehmend schwieriger. Am 8. April 1929 wurde schließlich ein Gesetz erlassen, mit dem das Vermögen der Kirchen und Religionsgemeinschaften zum Staatseigentum erklärt wurde. Kirchen und Gemeinden wurden verfolgt und ihr Leben kam Stück für Stück zum Erliegen. 1937 erreichten die stalinistischen Säuberungen ihren Höhepunkt. Danach gab es praktisch keine evangelisch-lutherische Kirche und keine Gemeinden mehr. Pfarrer und Gemeindeleiter wurden verhaftet, verschleppt und ermordet. Am 8. Oktober 1941 erließ die Sowjetmacht die Verordnung „Über die Aussiedlung der Deutschen, die das Gebiet der Georgischen, Armenischen und Aserbaidschanischen Sowjetrepubliken bewohnen“. Über 45.000 Personen wurden daraufhin aus dem Südkaukasus nach Sibirien oder Kasachstan in Arbeitslager deportiert. Auch wenn es keine lutherischen Gemeinden mehr gab, so lebte doch der Glaube im Verborgenen weiter.
In den Arbeitslagern wurde heimlich gemeinsam gebetet, und sogar Gottesdienstfeiern wurden von Laien abgehalten und geleitet. Nach dem Tode Stalins lockerten sich die Verbote. Mitunter durften vereinzelt sogar erste Gemeinden wieder gegründet werden. Zu ihren alten Wohnorten durften die Deutschen aber nicht wieder zurück. In den 1980er Jahren entspannte sich die Situation, und es wurden immer mehr Gemeinden in der Sowjetunion erlaubt und registriert. Mit dem politischen Umbruch und dem Zerfall der Sowjetunion begann wieder ein neues Kapitel.
Ab 1991 versammelten sich so auch in Georgien die Nachfahren von Deutschen und waren neu auf der Suche nach ihrer Identität, die sie nun frei leben konnten. Der Zusammenhang von deutscher Herkunft und lutherischem Bekenntnis war vielen gegenwärtig. Es zeigte sich das Bedürfnis nach lutherischem Gemeindeleben. So entstand zuerst in Tiflis (heute Tbilisi) eine Gemeinde, zu der dann im Laufe der Jahre die heutigen Gemeinden in Bolnisi, Bordjomi, Gardabani und Rustawi hinzukamen. Eine Schlüsselrolle beim Wiedererstehen der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Georgien spielte der Saarbrücker Theologieprofessor Dr. Gert Hummel. Im Rahmen einer Partnerschaft der Universitäten gelangte er nach Tbilisi und fand Kontakt zu der gerade im Entstehen begriffenen evangelisch-lutherischen Gemeinde. Er kam dann regelmäßig nach Georgien und feierte Gottesdienste, hielt Bibelstunden und taufte daraus folgend viele Menschen. Von diesen Begegnungen motiviert, zog er zum Eintritt in den Ruhestand mit seiner Frau Christiane nach Tbilisi. Dort konnte er mit zahlreicher Unterstützung einen Teil des ehemaligen deutschen Friedhofs erwerben und darauf eine Kirche sowie ein Gemeinde- und Diakoniezentrum errichten, die 1997 eingeweiht wurden.
Die Evangelisch-Lutherische Kirche in Georgien und im südlichen Kaukasus (ELKG) hat gegenwärtig rund 600 Mitglieder in sieben Gemeinden: Tbilisi mit 350 Mitgliedern, Baku (Aserbaidschan) mit 80 Mitgliedern, Rustawi mit 50 Mitgliedern, Suchumi mit 40 Mitgliedern, Bolnisi mit 30 Mitgliedern, Bordjomi mit 25 Mitgliedern und Gardabani mit 15 Mitgliedern. Zweimal im Jahr hält ein Pfarrer aus Tiflis darüber hinaus Gottesdienst in Eriwan (Armenien), wo sich allerdings bisher keine Gemeinde gegründet hat. Die Kirche hat fünf ordinierte Pastoren und Pastorinnen, zwei Männer und drei Frauen, darunter eine Pastorin in Baku. Die vier anderen versorgen die übrigen Gemeinden von Tiflis aus. Ein eigenes, rechtlich selbstständiges Evangelisch-Lutherisches Diakonisches Werk in Georgien unterhält in Tiflis ein Altersheim mit zwölf Plätzen, zwei Armenküchen und zwei Sozial-stationen sowie seit 2013 einen von der Stadt Tiflis unterstützten Diakonischen Dienst häuslicher Pflege.