2018-05-08
ავტორი : Giorgi Astamadze
Von der Schulenburg und Georgien. 1911-1921

Friedrich von der Schulenburg (1875–1944) ist eine besondere Figur in der Geschichte der georgisch-deutschen Beziehungen zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Keine politische Persönlichkeit in Deutschland war so eng mit dem Kaukasus verbunden wie er.

Selbstverständlich gab es auch andere einflussreiche Menschen, beispielsweise Otto von Lossow, der einen grossen Beitrag zur Unabhängigkeitserklärung Georgiens im Mai 1918 leistete, General Friedrich Kreß von Kressenstein, Leiter der deutschen Militärmission im Kaukasus, sowie Edward Jenö von Egan-Krieger, erster Leiter dieser Mission und auch danach eine der Hauptfiguren, oder den Diplomaten Ulrich Rauscher, deutscher Botschafter in der Demokratischen Republik Georgien nach ihrer juristischen Anerkennung 1920. Sie alle allerdings waren zu bestimmten Zeitpunkten an den deutsch-georgischen Beziehungen beteiligt, Graf Schulenburg hingegen war nicht nur gemeinsam mit den oben Genannten an fast allem beteiligt, auch war er ein Jahrzehnt lang der maßgebliche Akteur der deutschen Politik im Kaukasus, verbrachte viele Jahre dort und kannte die georgische politische Elite persönlich. Schulenburg kam nicht durch einen Zufall nach Georgien und es war kein Zufall, dass er mit den georgisch-deutschen Beziehungen in Berührung kam. Vielmehr repräsentierte Schulenburg selbst diese Beziehungen in den Jahren 1911–1921.


Schulenburg im deutschen Konsulat in Tiflis. Anfang der 1910er Jahre.

Selbstverständlich ist Schulenburgs Archiv für die Forschung von großem Interesse. Das Material kam erst kürzlich in das Bundesarchiv in Berlin, bis dahin waren diese wichtigen historischen Dokumente bei den Nachkommen des Grafen aufbewahrt worden. Das Archiv umfasst zwölf große Kisten mit Schriftstücken und etwa fünftausend Fotos, die die 40-jährige diplomatische Karriere Schulenburgs nachvollziehen lassen. Nach dem Erwerb teilte das Bundesarchiv das private Archiv Schulenburgs in zwei Teile, der schriftliche Nachlass wurde in Berlin-Lichterfelde untergebracht, und die Bilder in Koblenz, wo sich das Film- und Fotoarchiv des Bundesarchivs befindet. Bis jetzt ist nur ein kleiner Teil des schriftlichen Materials inventarisiert, allerdings genau der, der für uns von besonderer Bedeutung ist. Noch nicht inventarisiert ist das Archiv, das die Tätigkeit Schulenburgs seit den 20er Jahren dokumentiert, sowie das gesamte Bildarchiv. Das wird in naher Zukunft erfolgen. Wir können aber schon jetzt sagen, dass viele interessante Dokumente zum Kaukasus aus dieser Periode zum Vorschein kommen werden, in der Schulenburg drei Posten innehatte: als deutscher Gesandter in Teheran (1922–1931),Bukarest (1931–1934) und Moskau (1934–1941). Aufgrund der geographischen Lage waren die kaukasischen Fragen für Schulenburg sicherlich von Interesse. Daher rechnen wir nach der Inventarisierung mit sehr interessanten Erkenntnissen.


Schulenburg im Kaukasus, auf dem Roki-Pass. Oktober 1913.

Das verfügbare Material gibt uns aufschlussreiche Auskunft über die Zeitspanne von 1911 bis 1921, es umfasst Informationen zu dem Zeitraum ab 1915, als der Graf zunächst Oberst der georgischen Legion im Osmanischen Reich war, dann einer der Verfasser der Unabhängigkeitserklärung im Mai 1918 und der diplomatische Vertreter der Kaukasusexpedition Deutschlands bis zum Ende 1918. 1919–1921 arbeitete er im deutschen Auswärtigen Amt an den Kaukasus betreffenden Fragen und hatte Sehnsucht nach Georgien. Was die Jahre 1911–1914 betrifft – die Zeit seines Dienstes als Vizekonsul in der Hauptstadt der russischen Gubernie (გუბერნია) Tiflis – aus dieser Periode finden wir kaum Material, weder im Archiv Schulenburgs noch in anderen deutschen Archiven. Den Grund mag eine Mitteilung aus dem Privatarchiv Schulenburgs geben: als 1914 zwischen Deutschland und Russland der Krieg ausbrach und die diplomatischen Beziehungen aufgehoben wurden, durchsuchten die Russen das Gebäude des deutschen Konsulats in Tiflis. Möglicherweise ist das Material damals verloren gegangen.

Friedrich von Schulenburg studierte 1894–1900 Jura in Lausanne, Berlin und München. 1901 trat er in den Konsulatsdienst des deutschen Auswärtigen Amtes ein. 1903–1906 war er in den deutschen Konsularabteilungen in Barcelona, Lemberg und Neapel tätig. 1907 entsandte man ihn ins deutsche Konsulat nach Warschau. Ab dieser Zeit war Schulenburg bis zum Ende seiner diplomatischen Karriere ausschließlich mit Osteuropa und dem Nahem Osten befasst.

Schulenburgs Reisepass. 1912.

Am 28. März 1911 nahm Schulenburg den Posten des Vizekonsuls des deutschen Kaiserreichs in der Hauptstadt der Kaukasusgubernie Tiflis an und hatte diese Aufgabe bis zum 11. April 1914 inne. Während der Schwierigkeiten in den russisch-deutschen Beziehungen 1914 machte er Urlaub in seiner Heimat und wurde, als er versuchte zurückzukehren, an der Grenze nicht durchgelassen. Am 5. August wurden der deutsche Konsul Anders und sein Stellvertreter Kapitän Weikmann in Tiflis festgenommen. Die oben erwähnte Durchsuchung des Konsulats fand vermutlich in dieser Zeit statt, dabei verschwand der größte Teil des Archivmaterials. 1911–1914 führten Schulenburg und Andere wichtige nachrichtendienstliche Maßnahmen im Kaukasus durch. Sie schufen ein bedeutsames Spionagenetzwerk, das militärische, wirtschaftliche und politische Informationen für Deutschland sammelte. Sie verfolgten die Anzahl der russischen Truppen, ihre Standorte und Routen. Sie unterstützen die Anlage deutschen Kapitals im Ölsektor in Baku, beobachteten aufmerksam das wirtschaftliche Potential des Kaukasus im Falle eines Kriegs und, was am wichtigsten war, knüpften Kontakte in der lokalen, insbesondere georgisch-nationalistisch gestimmten Gesellschaft und versuchten, mit ihnen eine gemeinsame Sprache zu finden.


Schulenburg (rechts) im deutschen Konsulat Tiflis. Anfang der 1910er Jahre.

Nach dem Ausbruch des Krieges ging Schulenburg für einige Zeit an die Westfront. 1915 kam er als Offizier der Verbündeten in den Osten, in die osmanische Armee, und wurde später als Konsul in Erzurum eingesetzt. Sein Wirkungsfeld war wesentlich größer und umfasste auch andere Territorien im Nahen Osten. Während seines Aufenthalts im Osmanischen Reich war er einer der ideellen Denker und Leiter der „Georgischen Legion“, die auf der Seite der Osmanen kämpfte und von 1915 bis 1917 bestand. Schulenburg hatte enge Beziehungen zum progermanischen „Komitee für die Unabhängigkeit Georgiens“ in Berlin und Konstantinopel und mit ihren Leitern Matschabeli, Zereteli und Surguladse.


Schulenburg und Ahmed Devidse, 1916.

Das oben genannte Komitee überreichte Schulenburg am 1. Mai 1917 einen Orden der Legion für seine Verdienste in georgischen Angelegenheiten zum Andenken. In Schulenburgs Archiv finden wir das Original dieser Auszeichnung, ausserdem den Briefwechsel mit dem Georgischen Komitee und Informationen zu Banküberweisungen, über die Leitung der georgischen Legion, ihre Mitglieder, ihre Finanzierung und ihre Ausrüstung.


Das Siegel des georgischen Komitees, das an Schulenburg überreicht wurde. 1917.

Aufgrund der Niederlage der osmanischen Armee gegen die Russen und auch weil die georgische Legion keine Erfolge vorwies, wurde letztere 1917 aufgelöst, Erzurum gelangte in russische Hände. Vom 1. Juni 1917 bis 1. April 1918 leitete Schulenburg die kaiserlichen Konsulate im Nahen Osten, in Beirut und Damaskus. Mit der Unterzeichnung des Vertrags von Brest-Litowsk im März zwischen dem bolschewistischen Russland und Deutschland und seinen Verbündeten wurden günstige Bedingungen für die Rückkehr Schulenburgs in den Kaukasus geschaffen. So sollten Schulenburgs Erfahrung und Kontakte genutzt werden. Am 4. Mai 1918 wirdSchulenburg mit der Unterschrift des Kanzlers Hertling in Batumi als Vertreter der deutschen Delegation bei den Verhandlungen zwischen den Kaukasiern und den Osmanen unter der Leitung Generals Otto von Lossow eingesetzt. Letzterer war einer der deutschen Offiziere, die lange Zeit im türkischen Stab gedient hatten und dadurch eindeutig protürkisch. Seine Einstellung änderte sich jedoch im Laufe der Verhandlungen in Batumi ins Gegenteil, was neben dem negativen Verhalten der Türken das Verdienst Schulenburgs gewesen sein soll. Im dessen Archiv finden wir einen langen Brief an den deutschen Gesandten in Konstantinopel Scharfenberg, datiert auf den 10. Mai 1918. In dem Brief beschreibt Schulenburg die komplizierte Lage im Kaukasus, sowie die bestehende Gefahr vonseiten der Türken und die anti-türkischen und pro-deutschen Stimmungen in der Bevölkerung. Er schreibt, dass Vehib Pascha versucht, von Lossow zu isolieren, nicht Französisch mit ihm spricht, seinen Zugang zum Telegrafen verhindert, er beschreibt das feindliche Verhältnis der Türken gegenüber den Deutschen und weist auf die Notwendigkeit hin, sich einzumischen. Kurz nach diesem Brief sendet auch der ehemals protürkische General Otto von Lossow einen Brief nach Berlin und spricht darin über die Notwendigkeit einer neuen Politik im Kaukasus. Diese zwei Menschen – Schulenburg und von Lossow – wurden zu den Initiatoren der Unabhängigkeit Georgiens von deutscher Seite.


Urkunde über die Einsetzung Schulenburgs auf der Konferenz in Batumi, Mai 1918

Auf Initiative des Generals von Lossow reiste Schulenburg direkt nach den Verhandlungen aus Batumi nach Tiflis, um dort eine Armeeeinheit mit deutschen Kriegsgefangenen zu bilden. Diese sollten das Voranschreiten der Türken in Georgien verhindern. Schulenburg kam am 20. Mai 1918 im ihm wohlbekannten und geliebten Tiflis an und entdeckte, dass in seinem Haus das schwedische Rote Kreuz Station bezogen hatte. Er zog es vor, im Haus seines armenischen Bekannten Bogdasarow Unterkunft zu nehmen und leitete von dort aus den Prozess der Gründung der deutschen Einheiten. Die Waffen und die Ausrüstung erhielt er von der georgischen Regierung. So kam nach etwa zwei Wochen die erste deutsche Einheit von der Krim unter der Leitung von Egan-Krieger in Georgien an, wo sie auf weitere deutsche Einheiten traf, die Schulenburg vor Ort gebildet hatte und die schon Ende Mai im entscheidenden Augenblick Bordschomi, Karageran, Sanain, Katharinenfeld, Poti und Sochumi sicherten. Die Ereignisse vom Mai 1918 in Georgien wurden von der deutschen Seite von Friedrich von Schulenburg und dem ersten Militärkommissar Deutschlands im Kaukasus Kapitän Ludwig von Nida geleitet. Dieser bildete Armeeeinheiten mit deutschen Kriegsgefangenen bis zur Unabhängigkeitserklärung Georgiens, zusammen mit dem in Poti anwesenden Konsul Anders und dem Geheimsekretär Kirmis in Batumi, die die Befehle von Lossows ausführten. Es ist interessant, dass schon vor der Ankunft Schulenburgs in Tiflis der preußische Kapitän Schneider vor Ort war, der den Auftrag hatte, im südlichen Kaukasus, Transkaspien und Turkmenistan die deutschen Kriegsgefangenen anzuleiten. Dabei wurden diese Kriegsgefangenen in Deutschland nicht auf die Besatzung Georgiens vorbereitet.


Schulenburg auf dem Balkon des deutschen Konsulats, Tiflis, 1918.

Am 6. Juni 1918 teilte der deutsche Botschafter in Konstantinopel Bernstorff Schulenburg mit, dass die Mission unter der Leitung des Freiherrn Friedrich Kreß von Kressenstein bald nach Tiflis reisen würde, und bat ihn, ihm im Rahmen seiner Kompetenzen behilflich zu sein. Schulenburg wurde zum diplomatischen Vertreter der deutschen Kaukasusexpedition ernannt, die vor der Kriegsniederlage Deutschlands und auch mehrere Monate lang danach tätig war. Dank der hohen Qualifikationen Schulenburgs und Kreß‘ waren die Beziehungen zur georgischen Regierung ausgezeichnet. Trotz der großen ideologischen Unterschiede zwischen den georgischen linken Sozialisten und dem kaiserlichen aristokratischen Militär endete diese Mission ohne nennenswerte Konflikte zwischen den Deutschen und den Georgiern. Schulenburg blieb bis zum Ende der Mission im Kaukasus, selbst nach dem Abzug aller deutschen Einheiten, und verließ Georgien mit der letzten Welle. Auf dem Rückweg wurden Schulenburg, Kreß von Kressenstein und andere verbliebene Mitglieder der Delegation von den Engländern festgenommen und auf der Insel Prinkipo mehrere Monate lang festgehalten. Mitte 1919 erreichten sie endlich Deutschland.

Am 1. Juli 1919 trat Schulenburg den diplomatischen Dienst im Auswärtigen Amt in Deutschland an. Während das im deutschen Kaiserreich aufgrund seines Wohlstands nicht möglich gewesen war, hatte die Weimarer Republik diese Einschränkung aufgehoben. Er begann, in der politischen Abteilung des Auswärtigen Amts zu arbeiten, 1912 wurde er im Amt des Legationssekretärs bestätigt. Der Kaukasus blieb sein Interessenfeld auch in diesen Jahren, dazu kamen Bulgarien und Rumänien.


Auskunft über die Anstellung Schulenburgs als Legationssekretär des Auswärtigen Amts Deutschland. 1921.

In Schulenburgs Briefwechsel von 1919–1921 lesen wir deutlich seine Sehnsucht nach Tiflis heraus. Zum Beispiel bittet er in seinem Brief vom 16. April 1920 den deutschen Gesandten in Georgien Dreyer, einen Gruss unter anderem an die Mitglieder der georgischen Regierung Schordania, Ramischwili und Tschchenkeli auszurichten. An anderer Stelle erwähnt er Tiflis und seine Anblicke liebevoll. Nach 1919 versuchte Schulenburg, seine persönlichen Gegenstände nach Deutschland zu holen, die in Georgien zurückgeblieben waren, insbesondere Teppiche, Bilder, Bücher und Waffen, auf die er keinesfalls verzichten wollte. Anscheinend holte er einen Teil an diesen Gegenständen tatsächlich nach Deutschland.

Schulenburg unterstützte die juristische Anerkennung Georgiens durch die Weimarer Republik und sammelte 1921 Informationen über die Ereignisse in Georgien. Wir können davon ausgehen, dass der größte Teil an Informationen über Georgien, die 1919–1921 Deutschland erreichten, über Schulenburg gingen. 1921 endete seine diplomatische Tätigkeit in Berlin fast zeitgleich mit der Unabhängigkeit Georgiens, denn er wurde in die deutsche Vertretung nach Teheran geschickt und 1922 zum offiziellen Vertreter bestellt. Nach 1921, nach der Eingliederung Georgiens in die Sowjetunion hielt er die Kontakte mit georgischen und kaukasischen politischen Persönlichkeiten auf persönlicher Ebene fast bis zum Ende seines Lebens aufrecht.

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